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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 26.05.2000
Aktenzeichen: 5 U 1171/00
Rechtsgebiete: UrhG, UWG
Vorschriften:
UrhG § 87b | |
UWG § 1 |
2. Die planmäßige und systematische Übernahme von Stellenanzeigen für eine bestimmte Berufsgruppe (hier:Journalisten) im Internet die ohne Erlaubnis dem als führend bekannter Stellenmarkt einer Tageszeitung entnommen sind, ist unter dem Gesichtspunkt der Übernahme eines schutzwürdigen Leistungsergebnisses von wettbewerblicher Eigenart als wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG anzusehen
KAMMERGERICHT
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 5 U 1171/00 102 O 236/99 LG Berlin
Verkündet am: 26. Mai 2000
Lohey, Justizsekretärin
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass und die Richterin am Kammergericht Prietzel/Funk für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegner gegen das am 21. Dezember 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Antragstellerin verlegt die "FA Z" (F). In den jeweiligen Samstagsausgaben dieser Tageszeitung wird der Stellenmarkt mit jährlich etwa 70.000 Stellenanzeigen veröffentlicht. Es handelt sich um den europaweit mit Abstand führenden Stellenmarkt für Fach- und Führungskräfte. Auf die Stellenanzeigen kann der Interessent sowohl durch die im Internet eingerichtete Suchoption als auch durch den sonnabendlich abgedruckten F-Stellenmarkt-Index nach verschiedenen Suchkriterien zugreifen. Der Index über die Stellenanzeigen des kommenden Sonnabends wird im Internet schon ab Freitagnachmittag bereitgestellt, die Stellenanzeigen selbst erscheinen (in Kurzform) im Internet erst am darauf folgenden Mittwoch.
Die Antragsgegner verlegen ein Fachmagazin für Journalisten. Sie veröffentlichen zu dessen Unterstützung im Internet im Rahmen eines Informationsangebotes eine systematische Zusammenfassung von in jüngster Zeit anderweitig - auch bei der Antragstellerin - erschienenen Stellenangeboten für Journalisten, wobei die Anzeigen aus einer Übersicht durch entsprechendes Anklicken abgerufen werden können. Die - nochmalige - Veröffentlichung der bereits bei der Antragstellerin erschienenen Stellenanzeigen im Internet durch die Antragsgegner erfolgt ohne Einverständnis der Antragstellerin, und zwar am darauffolgenden Montag.
Das Landgericht hat gegen die Antragsgegner antragsgemäß eine beschlussförmige einstweilige Verfügung erlassen, durch die ihnen unter Androhung der im Gesetz vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt wurde,
im Internet Stellenanzeigen, welche bereits in der "F A Z" erschienen sind, wiederzugeben, zu verbreiten und/oder veröffentlichen oder verbreiten zu lassen, und zwar sowohl in identischer Form als auch in abgekürzter oder zusammengefasster Form."
Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht die einstweilige Verfügung durch Urteil bestätigt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Antragsgegner.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch zusteht.
1.
Die Rechtsgrundlage für den Unterlassungsanspruch ergibt sich allerdings nicht schon aus §§ 97 Abs. 1 in Verbindung mit 87 b UrhG. Bei den in der F veröffentlichten Stellenanzeigen handelt es sich in ihrer Gesamtheit nicht um eine Datenbank im Sinne des § 87 a UrhG. Es ist nicht erkennbar, dass die einzelnen Elemente (Anzeigen) des Stellenmarktes in der F nach einem bestimmten systematischen oder methodischen Ordnungsprinzip zusammengestellt sind, was jedoch Voraussetzung für die Annahme einer Datenbank ist (Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2. Aufl. § 87 a Rdn. 6). Zwar weist er eine sich aus der Sachlogik ergebende Grobgliederung nach verschiedenen Berufssparten auf, in denen Stellen angeboten werden. Für die innerhalb dieser einzelnen Sparten abgedruckten einzelnen Anzeigen ist ein Gliederungsschema jedoch nicht feststellbar. Nach dem äußeren Erscheinungsbild ist innerhalb der angegebenen Berufssparten ausschließlich die Größe als Ordnungskriterium der Anzeigen erkennbar. Dieser Art der Anordnung liegt mithin kein komplexes Regelwerk zwecks Einheitlichkeit der Anwendung und Darstellung der aufzunehmenden Datensätze zugrunde (vgl. BGH NJW 1999, 2898, 2899 - Tele-Info-CD). Dabei handelt es sich allenfalls um einen sogenannten "Datenhaufen" (vgl. Schricker a.a.O.), der keinen Schutz nach § 87 a UrhG genießt. Soweit die von der Antragstellerin im Internet Eingestellten Daten eine derartige Datenbank zum Gegenstand haben könnten, kommt es darauf nicht an, weil die Antragsgegner die Stellenanzeigen ihrerseits nicht dem Internet entnommen haben, sondern dem Anzeigenteil der Sonnabendausgabe der F.
2.
Die Vorgehensweise der Antragsgegner erfüllt jedoch den Tatbestand des § 1 UWG unter den Gesichtspunkten des sittenwidrigen Schmarotzens an fremder Leistung und der Behinderung. Die Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses, das nicht unter Sonderrechtsschutz steht, ist grundsätzlich nicht wettbewerbsfremd.. Es ist jedoch als unlauter im Sinne des § 1 UWG anzusehen, wenn es sich dabei um die Übernahme eines schutzwürdigen Leistungsergebnisses handelt, das wettbewerbliche Eigenart aufweist, und wenn zu der Übernahme weitere unlauterkeitsbegründende Merkmale hinzutreten (BGH GRUR 1988, 308, 309 - Informationsdienst).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Antragsgegner haben sich in sittenwidriger Weise den durch die Akquisitionstätigkeit aufgebauten Anzeigenmarkt der Antragstellerin zunutze gemacht, indem sie den Inhalt von Stellenanzeigen aus der F in ihren eigenen, zur Stützung des von ihnen verlegten Fachmagazins betriebenen Informationsservice im Internet über zur Zeit auf dem Markt befindliche Stellenanzeigen für Journalisten übernommen haben. Der in der F. publizierte Stellenmarkt stellt ein schutzwürdiges Leistungsergebnis von wettbewerblicher Eigenart dar. Es entspricht der Lebenserfahrung - und bedarf daher keiner konkreten Glaubhaftmachung durch die Antragstellerin, dass die Verwaltung und Organisation des europaweit größten Stellenmarktes für Fach- und Führungskräfte nicht nur im Rahmen des Aufbaus derartiger Kapazitäten erhebliche unternehmerischen Einsatz gefordert hat, sondern das Aufrechterhalten der erlangten Position allwöchentlich einen erheblichen Einsatz von Arbeitskräften für intensive und aufwendige Werbeaktivitäten und Akquisitionsanstrengungen sowie betriebliches know-how erfordert, um die akquirierten Anzeigenaufträgen auszuwerten, sie zutreffend zu plazieren und schließlich auf den Zeitungsmarkt zu bringen (vgl. auch OLG Köln A-FP 1987, 600, 601). Dass hierfür umfangreiche Aufwendungen für Redaktionsbetrieb und Personalkosten anfallen, bedarf keiner weiteren Erörterungen. Ungeachtet dessen, dass dies bereits allein ausreichte, um eine wettbewerbliche Eigenart zu bejahen (BGH GRUR 1988, 308, 309- Informationsdienst), kommt als weiteres Kriterium für die Annahme einer wettbewerblichen Eigenart hinzu, dass der Verkehr mit dem Stellenmarkt der F eine besondere Gütevorstellung verbindet (vgl. BGH NJW 1999, 2898, 2901 - Tele-Info-CD). Diese knüpft an die europaweit erworbene Marktführerposition auf dem Stellenmarkt für Fach- und Führungskräfte an. Der Stellenmarkt der F. ist quasi eine "Institution" geworden, die durchzusehen für viele Arbeitsplatzsuchende sozusagen ein "Muss" darstellt, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Dieser Erfolg beruht auf dem oben dargestellten Einsatz unternehmerischer Kräfte der Antragstellerin durch langjährigen pflegenden und konservierenden Aufwand für das Renommee ihres Stellenmarktes. Angesichts dessen bleibt der Einwand der Antragsgegner, der Stellenmarkt der F. unterscheide sich mit Ausnahme des Umfang nicht von jenem in anderen Tageszeitungen, weswegen er keine wettbewerbliche Eigenart aufweise, unbeachtlich. Dieser Einwand betrifft die äußere Darstellungsform des Stellenmarktes, auf die es hier nicht entscheidend ankommt (BGH GRUR 1988, 308, 310 - Informationsdienst).
Die Antragsgegner haben sich die wettbewerbliche Leistung der Antragstellerin durch systematische identische Übernahme planmäßig angeeignet, indem sie fortlaufend die von der Antragstellerin veröffentlichten Stellenangebote für Journalisten gleich nach deren Erscheinen in der F. Sonnabendausgabe - übernommen und mit nur unwesentlicher Verspätung einem Ausschnitt desselben Interessentenkreises, den Journalisten, angeboten haben. Dadurch wird der Bezieherkreis der Antragstellerin verringert und die Antragstellerin um einen Teil der "Früchte ihrer Arbeit" gebracht (BGH GRUR 1988, 308, 310 - Informationsdienst). Der regelmäßige Zugriff auf einzelne im Stellenmarkt der F. veröffentlichten Anzeigen unter der domain der Antragsgegner führt dazu, dass diese Teile der Verkehrskreise als potentielle Nachfrager der F -Sonnabendausgabe ausfallen und folglich die Umsatzzahlen der Antragstellerin korrespondierend zurückgehen können (vgl. OLG Köln a.a.O.). Denn es liegt nahe, dass Journalisten, die sich die sie interessierenden Stellenanzeigen selektiv beschaffen können, auf den Kauf der F verzichten und warten werden, bis die Antragsgegner die Anzeigen ins Internet stellen. Dies stellen die Antragsgegner erfolglos in Abrede, weil es nicht auf den tatsächlichen Rückgang des Umsatzes der Antragstellerin ankommt, sondern im Rahmen des § 1 UWG auf die Geeignetheit des Vorgehens, diesen Erfolg herbeizuführen.
Ohne Erfolg verweisen die Antragsgegner schließlich auf ein vermeintliches Interesse der Inserenten an einer größtmöglichen Verbreitung ihrer Anzeige, weswegen deren mutmaßliches Einverständnis dazu vorliege. Zum einen liegt es nicht ohne weiteres nahe, dass Interessenten im Stellenmarkt der F. angesichts deren Marktbedeutung gleichzeitig Wert auf das Erscheinen ihres Stellenangebots im Fachmagazin der Antragsgegner haben. Hinzu kommt, dass ein Eingriff in das geschützte Leistungsergebnis der Antragstellerin weder zur Disposition der Stellenmarktinteressenten noch der Antragsgegner steht. Auf ein mutmaßliches Einverständnis der Inserenten kommt es daher nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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